Schokoladenmomente

Ein nicht unproblematischer Umgang mit der Bibel

File:Pralines Chocolate Tasting Club.jpg
Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Pralines_Chocolate_Tasting_Club.jpg (Flominator, CC-BY-2.0)

Hmmm, Schokolade … himmlisch, ein Genuss, der aufhilft und Energie gibt.

Ist nicht die Bibel auch wie Schokolade? Ein schöner Gedanke, der nahe liegt, aber leider eine äußerst problematische und (meist christliche) Umgangsweise mit der Bibel offenbart.

Zu den folgenden Gedanken wurde ich von einem Newsletter der Deutschen Bibelgesellschaft und einem kurzen E-Mail-Dialog mit Benedict Schöning angeregt. Danke, Benedict!
Bits and pieces

Schokolade genießen wir in kleinen Stücken, schon der Verzehr einer ganzen Tafel verursacht ein schlechtes Gewissen. Leider machen wir es in unseren Gottesdiensten auch oft so: Bibel wird nur in kleinen, ausgewählten Portiönchen gelesen, oftmals zusammengekürzt, häppchenweise, mundgerecht. Was bei Schokolade Sinn hat, ist bei der Bibel fatal: Das Herausreißen von Versen aus dem Kontext führt bisweilen sehr in die Irre.

Süßes

Wir mögen die Süße der Schokolade, die uns – für “Schokoladenmomente” – aus der Bitternis des Alltags herausreißt. Das ist absolut in Ordnung. Nur sollten wir es mit der Bibel nicht so machen: Die Bibel ist keine Schokolade, die den Alltag wie eine Droge verhüllt, kein Trostpflaster, das die Schmerzen erträglich macht. Gewiss, es gibt tröstende biblische Texte, aber eigentlich muss das Lesen der Bibel Schmerzen bereiten – so, wie die Leute in Wut gerieten, die den Propheten Jeremia oder Jesus von Nazaret hörten. Geraten wir noch in Wut, wenn wir Bibel lesen? Schmerzt es noch?

Schmelz statt Schmerz

Wir lieben es, wenn die Schokolade im Mund schmilzt und sich das Aroma verbreitet, und dann ist der Moment wieder weg. Schokolade ist nicht nachhaltig (weder in der Erzeugung, s.u., noch beim Essen). Man kann und sollte sich auch Bibelverse auf der Zunge zergehen lassen (der Prophet Ezechiel und der Seher Johannes auf Patmos müssen ganze Bücher essen!). Wenn wir das richtig tun, entsteht etwas Nachhaltiges: Bibelverse bleiben im Gedächtnis, mehr als die beste Schokolade, sie drängen uns zum Handeln für mehr Gerechtigkeit und eine bessere Welt, für die Bewahrung von Gottes Schöpfung.

Ausbeutung

Gibt es “gute” Schokolade? Ich meine welche, die nicht durch Ausbeutung der Kakaobauern und unfaire Weltmarktpreise zustande kommt? Solche Schokolade muss immer noch eigens gekennzeichnet werden, “faire” Schokolade aus dem Weltladen oder aus dem Alternativregal im Supermarkt. Was ist mit der “normalen” Schokolade? Hier scheinen die Wege immer noch mit Ungerechtigkeit gepflastert zu sein. Der Bibel sind solche ausbeuterischen Verhältnisse zuwider, die Propheten, aber auch die Tora, verurteilen es, wenn reiche Leute (Nationen) die in Abhängigkeit arbeitenden Armen (Völker) auf legalem Wege ausbeuten.

Geschmack nur durch Wärme

Eins haben aber Bibel und Schokolade gemeinsam: Sie entfalten ihren Geschmack nur durch menschliche Wärme! Bei Schokolade ist das klar, wer sie nur kaut und schluckt, erfasst nicht ihre wunderbaren Aromen. Bei Bibeltexten ist das ähnlich: Sie sind zunächst nur bedrucktes Papier oder Pixel auf unseren Displays. Erst, wenn ich sie in mich aufnehme, mich mit ihnen beschäftige, mir Zeit für sie nehme, mit ihnen warm werde, dann entfalten die biblischen Texte ihre Aromen. Da kann “Zartbitter” dabei sein (s.o.), oder etwas, das mir gar nicht schmeckt oder mich sogar schmerzt. Bibel ist halt doch nicht einfach Schokolade.

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