Katholisch?

Der folgende Text wurde vor den Beschlüssen der V. Synodalversammlung des Synodalen Wegs (9.-11. März 2023) geschrieben. Ich habe Respekt vor allen Synodalen, die hier Großartiges geleistet haben. Ich habe Respekt vor den Bischöfen, die den wichtigen Beschlüssen zugestimmt haben, so dass viel Gutes zustande kommt. Es ist aber auch seitens bestimmter Bischöfe viel gebremst worden, so dass manche Frustration aufgekommen ist und z.T. auch bleibt. Es ist schade, dass es immer noch so viel borniertes Festhalten am Überkommenen gibt, ohne zu prüfen, was wirklich wichtig ist. Ich hoffe sehr, dass die Beschlüsse des Synodalen Wegs durchgeführt, weitergeführt und fruchtbar gemacht werden – und dass von ihnen Impulse für eine weitere Veränderung und Verbesserung der Katholischen Kirche in Deutschland und weltweit ausgehen. Mein “ich bleibe dabei” ist nun weniger trotzig und mehr zuversichtlich.


Heutzutage muss man sich ja rechtfertigen, wenn man sagt, dass man katholisch ist. Auf die Frage, wie ich denn noch katholisch sein könne, habe ich eine recht einfache Antwort:

… weil’s egal ist.

Ich bin katholisch aufgewachsen und sozialisiert worden, habe den Glauben an Gott von meinen Eltern, meinen Großeltern (mütterlicherseits), den Schwestern im Kindergarten, den Religionslehrer:innen und auch von einigen Priestern kennengelernt und übernommen, nach reiflicher Überlegung auch behalten. Mir ist das alles wertvoll geworden – warum soll ich das über Bord werfen, nur weil ein paar angeblich wichtige Leute in der Kirche durchgeknallt sind? Also, entschuldigen Sie bitte, ich lass mir doch meinen Glauben an Gott nicht von ein paar Irren, die spitze Mützen tragen, wegnehmen oder mich darin irre machen … dazu bin ich wahrhaftig zu alt geworden und hab das Ganze ein bisschen zu gründlich studiert, als dass ich mir da noch auf der Nase herumtanzen lasse.

Natürlich stört es mich, dass die katholische Kirche – nein, ich muss mich korrigieren, einzelne Vertreter (Männer) dieser Kirche – derzeit allerlei Blödsinn von sich gibt. Das ist mir inzwischen ziemlich peinlich. Aber das ist ja nichts Neues. Im Mittelalter wurde zu Kreuzzügen aufgerufen und es wurden Hexen verbrannt – nicht lustig. Man hat diese “Traditionen” inzwischen aufgegeben, auch die traditionelle Feindschaft und Abwertung gegenüber dem Judentum hat man in den Hauptzweigen der katholischen Kirche aufgegeben. Siehe da, nicht alle Traditionen waren bzw. sind gut – man muss halt doch prüfen, was man so weiterträgt und was man besser ändert. (Manche hätten auch gern das mit der Judenfeindschaft beibehalten, aber denen ist nun wirklich nicht mehr zu helfen.)

Ja, ändern, da müsste sich manches, und es schmerzt, dass sich da so wenig tut, aber ich weiß, woran das liegt. Und ich weiß, dass ich daran nichts ändern kann und es gar nichts bringt, “auszutreten”. Wohin sollte ich denn da hintreten? Also, wenn ich mal “austreten” muss, dann weiß ich ja, wo ich hingehen kann. Aber bei der Kirche weiß ich nicht, wo ich hingehen sollte – gut, wenn jemand eine andere kirchliche Gemeinde kennen, schätzen und lieben gelernt hat, evtl. auch weil der Lebenspartner dort ist, dann kann man da hingehen. Trifft bei mir nicht zu – ich wüsste nicht, wo ich hingehen sollte (“zu wem sollen wir gehen?” fragt auch Simon Petrus im Johannesevangelium: “Du hast Worte des ewigen Lebens”, Joh 6,68). Warum aber sollte ich nicht in eine andere Konfession wechseln?

… weil’s egal ist.

Ich kann mich mit der Vorstellung nicht anfreunden, dass Gott nach dem Ende meines irdischen Lebens nach dem Eintrag in meiner Lohnsteuerkarte fragt: “Und, r.-k.? Gut, hier lang…” Oder: “Was? ev.-luth.? Dort lang!” Ich glaube an einen Gott, dem andere Sachen wichtiger sind – und ich hoffe inständig, dass meine bescheidenen Versuche, diesen Ansprüchen Gottes gerecht zu werden, halbwegs genügen werden. Wenn nicht, wird mir die Gnade Jesu Christi hoffentlich weiterhelfen (aber nicht meine Konfessionszugehörigkeit, fürchte ich).

Also, mein Tipp: Wenn Sie an Gott glauben, bleiben Sie, was Sie sind, und glauben Sie noch tapferer. Es sei denn, wie gesagt, eine andere Konfession oder Religion bietet sich so an, dass man sich dort mehr zu Hause fühlt.

Aber legt nicht die katholische Kirche so viel zu glauben und zu befolgen vor, dass man da gar nicht mehr mitmachen kann? Ja, es wird ein bisschen viel in letzter Zeit: Konzilsdokumente, Enzykliken, Responsen der Glaubenskongregation … selbst als Theologieprofessor kennt man sich schnell nicht mehr aus. Gut so. Warum?

… weil’s egal ist.

Ich kann mich mit der Vorstellung nicht anfreunden, dass nach dem Ende meines irdischen Lebens Jesus mit einem Checkboard und einem spitzen Bleistift dasteht und mich fragt: “Na, hast du auch alles im Glauben angenommen, was das ordentliche und das außerordentliche Lehramt in nicht-unfehlbaren und unfehlbaren Äußerungen zu glauben vorgelegt hat? Fangen wir mal an: …” Uh, da würde ich doch noch schnell fragen, ob ich nicht lieber das ägyptische Totenbuch vor den 42 Göttinnen und Göttern beim Totengericht rezitieren dürfte, das ist nämlich um einiges kürzer. Spaß beiseite. Im Matthäusevangelium, Kapitel 25, Verse 31 bis 46 ist nicht von als zu glauben vorgelegten Lehrsätzen die Rede, sondern von den geringsten der Brüder Jesu. Dass ich hier etliches (an Gutem) nicht getan habe, macht mir ein schlechtes Gewissen, aber immerhin bemühe ich mich, und da ich mir auch damit nicht den Himmel verdienen kann, hoffe ich weiterhin und wieder einmal auf die Gnade unseres Herrn Jesus Christus.

Und die ist nicht egal, und ich bin Jesus Christus nicht egal, und mir ist mein Glaube an Gott nicht egal – sondern wichtig. Insofern bin ich – gelinde gesagt – irritiert, wenn mir gewisse Leute, die sich als wichtig bezeichnen, allerlei Zeug in den Weg legen wollen, wenn ich gerade auf der Suche nach dem richtigen Weg zu Gott bin – zusammen mit anderen, die auch mit mir unterwegs sind. Mit ihnen bin ich mir sicher, dass wir uns nicht sicher sein können über diesen Weg, der nicht festliegt oder von einer Institution geographisch (in einem “Katechismus”) vorgezeichnet werden kann, weil dieser Weg nämlich eine Person ist: Jesus Christus selbst (“Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben”, Joh 14,6). Eine Person aber, ein Mensch (oder eben ein Mensch gewordener Gott), ist nie fixiert und festgelegt oder von anderen Menschen festgenagelt (man probierte das Festnageln mit Jesus, hat sich aber nicht bewährt, er ist nach drei Tagen auferstanden, trägt aber noch die Wunden des Festnagelns). Der Weg “Jesus Christus” ist also eine dynamische Beziehung zu dieser Person, lebendig, veränderlich, persönlich – und nicht ein Buch mit ein paar tausend Nummern zum Auswendiglernen.

Also, wenn’s mir mal wieder peinlich wird, was da von angeblich wichtigen Leuten in der katholischen Kirche verlautet wird, dann mache ich mir nichts weiter draus …

… weil’s egal ist.

Ich nehme solche Dinge höchstens zum Anlass, wieder einmal mehr an meinen Glauben an Gott zu denken – hey, bist du noch da? (Wie bei einem Handy-Telefonat in einem schlechten Netz …) Ja, Gott ist noch da, Gottes Netz ist nie schlecht, es muss an meinem Handy liegen, wenn ich manchmal zweifle … Aus- und wieder Einschalten hilft oft beim Handy, auch bei der Beziehung zu Gott muss ich manchmal wieder “einschalten”, mich vergewissern, Worte der Heiligen Schrift in Erinnerung rufen, kostbare Sätze, gegenüber denen alles andere, insbesondere so manche Leersätze (‘tschuldigung, Lehrsätze) etwas verblassen.

Dass wir uns nicht missverstehen: Es ist nicht egal, dass sich die katholische Kirche ändert, sie muss und wird sich ändern und morgen manches aufgeben, was heute noch von manchen als essentiell angesehen wird (alles schon passiert, muss man nur Kirchengeschichte studieren). Aber ich werde mir keine “blutige Nase” holen oder für Veränderungen “kämpfen”. Gute Veränderungen kommen oft nicht durch Kampf, sondern durch Glauben und Beharrlichkeit (wir Deutschen wissen das spätestens seit 1989). Ich bin sofort mit dabei, wenn es um Veränderungen und neue Formen, Strukturen und Inhalte geht, ich hab schon Ideen. Ist mir alles nicht egal. Aber ich mache meinen Glauben und mein Wohlbefinden nicht mehr davon abhängig, ob das jetzt gleich, morgen oder erst in 50 Jahren kommt. Und ich geh auch nicht weg, weil’s egal wäre, wenn ich ginge (und ich weiß ja eh nicht, wohin).

Daher bleibe ich katholisch. Punkt.