Karl-Heinrich Ostmeyer, Jüdische Gebete aus der Umwelt des Neuen Testaments. Ein Studienbuch (Biblical Tools and Studies 37), Leuven: Peeters, 2019, xvi+484 Seiten, ISBN 978-90-429-3853-3, 95 EUR Hardcover.
„Studienbuch Gebet“ – so lautet die interne Kurzbezeichnung des Projekts, wie sie im Vorwort (S. I), im Abkürzungsverzeichnis (S. XV) und bei der Einführung ins Gesamtwerk (S. 1) auftaucht. Damit ist schon viel ausgesagt: Es handelt sich um ein Arbeitswerkzeug (s. den Reihentitel: „Biblical Tools and Studies“), mit dem sich Studierende, Lehrende, Forschende und alle Interessierte einen exemplarischen Überblick über die Quellen, die Sprache, die Motive, die Theologie und die Anthropologie des Phänomens „Gebet“ im Frühjudentum verschaffen können. Die kanonischen Texte des Alten und Neuen Testaments (im protestantischen Sinne) sind wegen ihrer vielfachen Verfügbarkeit nicht berücksichtigt. Auch ist keine Vollständigkeit angezielt, sondern eher das Paradigmatische, das zu einer eigenen Urteilsbildung verhelfen soll. Die Großgliederung erfolgt nach den Quellenbereichen (A. Texte aus der judäischen Wüste [z.B. Hodayot, Genesisapokryphon, Bußgebete von Herrschern, Schabbatlieder, ein Gebet aus der Bar-Kochba-Zeit]; B. Pseudepigraphen [z.B. Testamente der Zwölf Patriarchen, Sibyllinen, Joseph und Aseneth, Liber Antiquitatum Biblicarum, 4Esra]; C. Apokryphen des Alten Testaments [z.B. griechische Zusätze zu Esther, Judith, Tobit, 2–4 Makkabäer, Sapientia, Jesus Sirach, Psalmen Salomos, Zusätze zu Daniel]; D. Philo; E. Josephus). In der Regel wird aus den einzelnen Schriften jeweils nur ein Gebet ausgewählt, so dass sich ein „(notwendig lückenhaftes) Kompendium antiker jüdischer Schriften“ (S. 2) ergibt. Der Charakter des Studienbuches zeigt sich auch an der stets dem gleichen Schema folgenden Textpräsentation. Die Einführungen sind sehr knapp gehalten, versuchen aber, eine nur wenig mit dieser Literatur vertraute Leserschaft an selbige näher heranzuführen. Sodann folgt die Angabe der benutzten Textausgaben, sowohl für den „Originaltext“ (Hebräisch, Aramäisch, Griechisch, Lateinisch) als auch die deutsche Übersetzung. Dabei wird die Auswahl dieser Ausgaben nicht begründet. Des Weiteren werden englische und französische Übersetzungen bibliographisch angeführt. Daraufhin folgt die eigentliche Textpräsentation, bei der – sehr hilfreich für ein Studienbuch – der Originaltext (links) und die deutsche Übersetzung (rechts) auf gegenüberliegenden Seiten geboten werden, nach Möglichkeit sogar zeilensynoptisch. Fußnoten erläutern jeweilige Besonderheiten in der Quelle und in der Übersetzung. Das großzügige Layout führt bei sehr kurzen Texten zu größeren Leerräumen, sogar Leerseiten werden mehrfach in Kauf genommen. — Das „Studienbuch Gebet“ ist insgesamt eine hilfreiche und kompakte Zusammenstellung von wissenschaftlich verantworteten Erschließungen antiker Quellen, die als „Gebet“ zu apostrophierende Texte enthalten. Dem Problem, dass diese wissenschaftlichen Editionen und Übersetzungen bisher auf viele verschiedene Printausgaben verstreut sind, leistet es auf ansprechende Weise Abhilfe. An einigen wenigen Stellen wird erstmals eine deutsche Übersetzung geboten, so z.B. für die „Apostrophe für Juda“ (4Q88 [4QPsf] X,5–15), eine hymnische Aufforderung an Juda sich zu freuen (S. 30–33), oder für die Doxologie 11Q5 [11QPsa] XVI,1–6; 11Q6 Frg. f, ein Dank- und Preisgebet, das in der bekannten Psalmenrolle aus Qumran zwischen Teilen aus Ps 136 und Ps 145 steht. Diese Doxologie ist aus Versen aus Ps 136 und Ps 118 komponiert worden. Das „Studienbuch Gebet“ schließt mit einem ausführlichen Gesamtliteraturverzeichnis (S. 429–460) sowie mehreren Registern (Stellen, Sachthemen, Personen). Die Zusammenstellung bietet einen sehr lehrreichen Einblick in ein „Panoptikum antiker jüdischer Theologien und Anthropologien. Christliches Beten und christliche Theologie sind nicht zuletzt vor diesem Hintergrund (besser) zu verstehen“ (Umschlagstext).